01.03.2015

Vor einem halben Jahr fing alles an.

Durch diesen Satz eines Mitfreiwilligen wurde heute Morgen mein später Morgen eingeleitet. Ein schwerer Satz, der mich stark getroffen hat. Ob das gutes oder schlechtes bedeute, wurde danach kurz in der Gruppe diskutiert. Aber die folgenden Sätze erfasste ich eigentlich gar nicht mehr. Ein halbes Jahr. Bei dem Gedanken, dass mein Freiwilligendienst jetzt zur Hälfte vorbei ist, zieht sich mir in meinem Inneren alles zusammen. Scheiße. Die Hälfte vorbei. Noch bis gestern Abend konnte ich diesen Gedanken erfolgreich abschütteln und von mir wegschieben, wenn Menschen um mich herum diesen Gedanken äußerten. Aber seit ich ihn eben geschrieben gesehen habe, so ganz konkret und schmucklos, ist mir wirklich mulmig zu Mute. Habe ich denn die erste Hälfte gut genutzt? Genug gelebt? Genug erfahren, getan, gemacht, gelacht, gefragt, gesprochen, gelernt und genossen? Und wenn schon die ersten 6 Monate so schnell rum gingen, dann wird mir Bange vor der Schnelligkeit, mit welcher die nächsten sechs verfliegen werden. Und wenn es vorbei ist, dann fängt womöglich ein ernstes Leben an. Studium, Lernen, Prüfungen. Ich mag gar nicht daran denken, denn mein Leben hier, das ist ein schönes Leben! Ich bin sehr glücklich hier und ich mag die Menschen, das Projekt, die Region. Es wird viel gelacht, geredet, gegessen - Dinge, die einen glücklich machen. Dazu kommt die herrliche Natur, die uns umgibt und mich immer wieder so sehr beeindruckt, dass mir der Mund offen steht. Das Projekt gibt uns Freiheit. Wir sind das Projekt und wir machen unsere Planung. Schauen, wann wir auf welchen Hof gehen, im Kino arbeiten oder heimlich ab und zu einen lauen Tag einlegen. Kontrolliert ja keiner. “Ça fait une année de liberté“ schloss gestern Abend ein Bekannter, als ich ihm noch einmal kurz unser Projekt schilderte (“Also ein Jahr Freiheit“). Ganz so einfach ist das zwar nicht, aber grundsätzlich hat er es recht treffend zusammengefasst.
Natürlich ist auch nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen. Es gibt Momente, da hab ich es einfach satt hier zu sein. Mittlerweile kennen wir die Leute etwas besser und verstehen sie durch unsere fortgeschrittenen Französischkenntnisse besser und plötzlich fallen einem Dinge an diesen Menschen auf, die mich eigentlich ganz irre machen. Außerdem haben wir durch die gemeinsamen Mittagessen, die für mich ja eigentlich die Krönung dieses Projektes darstellen, auch oft einen ziemlich guten Einblick in das Familienleben und sehr private Probleme, da diese oft beim Essen diskutiert werden. Das finde ich sehr belastend. Ebenfalls belastend finde ich es, wenn mir groß und breit Geld- und Existenzsorgen erzählt werden.
Das schöne Leben ist also auch nicht immer ein einfaches Leben. Aber es bleibt schön. Und schon jetzt kann ich gut erahnen, wie schwer es mir fallen wird, mich von hier zu trennen. Deshalb lese ich aus diesem Satz "Vor einem halben Jahr fing alles an." eher "In einem halben Jahr ist es vorbei." Und das macht mich traurig.

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